Unterhaltspflicht - Kinder für Eltern ?


Wann zahlen Kinder für Eltern? 

Dass Kinder unter bestimmten Voraussetzungen finanziell für ihre Eltern aufkommen müssen, ist unabwendbar. Das gilt unter Umständen selbst dann, wenn es gar nicht im Sinne von Mutter oder Vater ist.

Eltern kommen für ihre Kinder auf, das versteht sich von selbst. Doch wenn sich der Spieß umdreht, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Müssen volljährige Kinder unter Umständen Unterhalt für ihre Eltern zahlen? "Ja", sagt Eva Becker, Fachanwältin für Familienrecht in Berlin. "Aber erst, wenn das Kind ein Jahreseinkommen von über 100.000 Euro erzielt."

Dabei ist es oft gar nicht im Sinne von Mutter oder Vater, ihren Nachwuchs zur Kasse bitten. "In aller Regel sind es die Sozialhilfeträger, die Anspruch auf Elternunterhalt geltend machen", erklärt die Juristin Verena Querling von der Verbraucherzentrale NRW.


Sozialhilfeträger wenden sich an Angehörige

Der klassische Fall: Eltern sind im Alter auf Hilfe im Alltag angewiesen. Das kann je nach Grad der Pflegebedürftigkeit viel Geld verschlingen. Decken Rente, Pflegeversicherungen und Vermögen die Kosten nicht ab, wenden sich die Sozialhilfeträger an die nächsten Angehörigen: Entweder an den Ehe- oder Lebenspartner oder eben an die Kinder.

"Generell nicht unterhaltspflichtig sind Geschwister untereinander", sagt Becker, die Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein ist. Ebenfalls nicht unterhaltspflichtig sind Cousins, Cousinen, Tanten, Onkel, Enkel sowie verschwägerte Personen.

Großeltern sind grundsätzlich zum Unterhalt für Enkel verpflichtet, wenn die Eltern nicht leistungsfähig sind. "In der Praxis kommt das nur so gut wie nie vor, dass sich jemand an die Großeltern wendet", sagt Becker aus Erfahrung.

 

Ehepartner muss sich an Kosten beteiligen

Zurück zum Fall eines pflegebedürftigen Elternteils. Die Kosten für die Pflege sind hoch, die vorhandenen Mittel reichen nicht. Das Sozialamt klärt nun, wer zahlen muss und wendet sich schriftlich an die nächsten Angehörigen. "Kommt etwa ein Elternteil in ein Pflegeheim, muss sich der zu Hause verbleibende Ehe- oder Lebenspartner an den Kosten beteiligen", so Querling. Er muss selbst dann zahlen, wenn das Jahreseinkommen unterhalb der Grenze von 100.000 Euro liegt.

Reicht das Einkommen nicht, geht es an das Vermögen - Erspartes zum Beispiel oder auch eine Immobilie. Dabei gilt ein sogenanntes Schonvermögen, bei Ehe- oder Lebenspartnern insgesamt 10.000 Euro. Zusätzlich zum Schonvermögen bleibt ein angemessener Betrag unangetastet, der zweckgebunden für die eigene Bestattung und Grabpflege angelegt wurde.

 

Düsseldorfer Tabelle ist Berechnungsgrundlage

Reichen Einkommen und Vermögen nicht aus, um die Pflegekosten zu zahlen, springt das Sozialamt ein. Steht ein Pflegebedürftiger ohne Ehe- oder Lebenspartner da - etwa, weil er oder sie gestorben ist - kontaktieren die Sozialhilfeträger die Kinder.

Hat mindestens ein Kind ein Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro, berechnet sich der Unterhalt etwa nach der sogenannten Düsseldorfer Tabelle. "Bei mehreren Geschwistern, von denen mindestens eines über 100.000 Euro verdient, gibt es eine Quotenregelung", erklärt Becker.

Dabei gilt: "Die Unterhaltspflicht wird nicht einfach durch die Anzahl der Kinder geteilt", stellt Querling klar. Zunächst errechnet das Sozialamt, wie viel Unterhalt ein Kind entsprechend seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse zahlen müsste. Gibt es mehrere Kinder mit Einkünften über jeweils 100.000 Euro im Jahr, haftet jedes davon anteilig.

 

Auch andere Einkünfte zählen dazu

Bestreitet ein Kind den Elternunterhalt allein, weil die Einkünfte der Geschwister unter der 100.000-Euro-Grenze liegen, muss es den Anteil der anderen nicht mittragen - es zahlt also im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Wichtig zu wissen: Bei der Klärung der Frage, ob das Einkommen über oder unter 100.000 Euro im Jahr liegt, zählt nicht allein der Verdienst aus selbstständiger oder nicht-selbstständiger Arbeit. Auch andere Einkünfte, etwa aus Vermietung und Verpachtung, können dazu gehören.

"Allerdings können Ausgaben geltend gemacht werden, die unter dem Strich das Einkommen reduzieren", sagt Becker. Das können etwa Verbindlichkeiten für einen Immobilienkredit oder private Altersvorsorgekosten sein. Querling rät: Wer Post vom Sozialamt bekommt und sein Einkommen nachweisen soll, sollte sich juristische Hilfe holen, um auf der sicheren Seite zu sein.

 

Schenkungen können zurückgefordert werden

Dass Kinder gegebenenfalls für ihre Eltern aufkommen müssen, ist unabwendbar. Das kann sogar so weit gehen, dass Eltern und sogar Großeltern Schenkungen zurückfordern können, wenn mit dem Geld oder dem Erlös Sozialleistungen wie etwa ein Aufenthalt in einem Pflegeheim finanziert werden, für die sonst der Staat aufkommen müsste.

Verschenkte Immobilien können Eltern und Großeltern ebenso zurückverlangen wie etwa Bargeld. Selbst Geld, das eine Großmutter über Jahre hinweg für ihre Enkel auf Konten angespart hat, kann der Sozialhilfeträger gegebenenfalls zurückverlangen. Das entschied das Oberlandesgericht Celle (Az: 6 U 76/19).

Das Gericht argumentierte, dass regelmäßige Zahlungen an Familienangehörige zum Kapitalaufbau sogenannte "privilegierte Schenkungen" seien. Sie könnten zurückgefordert werden, wenn der Schenker selbst bedürftig ist.

Und was ist, wenn die Großmutter dem Enkel etwa zum Geburtstag 200 Euro überreicht? Ein solches Geldpräsent ist juristisch eine sogenannte "anlassbezogene Anstandsschenkung". Das gilt nach einem Urteil des Landgerichts Aachen (Az: 3 S 127/16) auch für die Taschengeldzahlungen einer Großmutter. "Bei Anstandsschenkungen hat der Staat nicht das Recht, zuzugreifen", so Becker.


Quelle: ntv.de | 08.02.2021